„Schafft sich die Kirche jetzt selber ab....?“

fragt Daniel Deckers ab 29. Januar in der FAZ, das fragen sich nicht wenige im Eichsfeld, wenn sie an die Aufgabe der Geburtsklinik und nun auch noch an die Abgabe der IGS St. Ursula denken.

Einige Gedanken zu den jüngsten Sparmaßnahmen des Bistums und zur Zukunft der Kirche von Propst Bernd Galluschke.

Mit der Abgabe der katholischen St. Ursula Schule endet eine jahrhunderte alte Tradition (die ersten Internatsschülerinnen gab es bei den Ursulinen im 18. Jahrhundert). Freuen kann sich darüber nur, wer die Kirche sowieso auf dem berühmten „Kiecker“ hat: „Der katholische Träger schreibt sich Familien und Kinder auf die Fahnen, arbeitet aber gegen sein Leitbild“, so wurde im ET eine Politikerin zitiert.
Das ist noch einer der harmloseren Kommentare. Nachdenklicher macht mich, wie aggressiv Bürger zum Teil die Kirche kommentieren -gerade in den Socialmedia.

Das bereitet mir eher Sorge und manchmal macht es auch Angst vor der Zukunft. Da kann ich viel besser gerade die Enttäuschung von Schülern, Eltern und Lehrern verstehen – auch wenn Verständnis, die Probleme nicht löst. Und wenn Sie mit einer Petition um den Erhalt der IGS ihrer Enttäuschung Luft machen, dann finde ich das verständlich.

Übersehen darf man aber auch nicht, dass die Entscheidung unseres Bischof im Zusammenhang mit der gesamten, verschärften Finanzsituation des Bistums zu sehen und der Notwendigkeit geschuldet ist, neue Zielbilder von Kirche zu setzen, damit wir in Zukunft noch Zukunft haben – und uns eben nicht abschaffen. Natürlich sind die Betriebskosten von mehr als einer Million an Kirchensteuern pro Jahr ein Argument (mehr als ein Drittel der Gesamtkosten) für die Aufgabe, neben den Investionskosten und vor allem im Blick auf die zu geringe Schülerzahl für eine IGS, die weder der Bischof noch der Landkreis verändern kann, um eine IGS erfolgreich pädagogisch zu gestalten.

Dazu kommt vor auch, dass sich Kirche institutionell völlig verändert und wir nicht mehr mit Erfahrungen von früher und mit bekannten Begriffen die kommende Wirklichkeit von Kirche beschreiben und verstehen können.

Ich bin zuversichtlich, dass sich der Landkreis um das Wohl der Schüler sehr verantwortlich sorgen wird. Dazu hat die Diözese mit den Verantwortlichen im Landkreis bereits erste Sondierungsgespräche geführt und weitere konkrete Gespräch haben begonnen, die Hoffnung machen. Deshalb können wir davon ausgehen, dass die Schüler weiter gut gefördert werden und dass neben dem selbstverständlichen Religionsunterricht auch weiterhin christliche Inhalte wie Schulgottesdienste und Schulseelsorge angeboten werden können. Das wird Verhandlungssache sein. Bei allem Versuch, positiv zu denken, bringt uns die Abgabe der Schule durch das Bistum in eine Situation, die nicht begeistert, weil es kein Zurück mehr geben wird.

Gleichzeitig sehe ich die Chance und Verpflichtung, dass wir uns als Caritas und Kirche vor Ort in Duderstadt gemeinsam mit dem Bistum für den „inklusiven Campus“ am selben Ort engagieren – eine „spezielle Form von IGS“. Natürlich wäre es leichter gewesen, eine katholische Schule dabei zu haben. Dieser Campus erhält zwar keine „katholische Überschrift“ mehr, aber er soll aus einer explizit christlichen Grundhaltung mit Leben erfüllt werden, nämlich mit der Achtung der Würde eines jeden Menschen in seiner Einzigartigkeit – ein Ziel, das auch die IGS verfolgt.

Ich hoffe, dass der unermüdliche Einsatz der Lehrerinnen und Lehrer an der IGS über das normale Maß hinaus – für den natürlich der Dank nicht groß genug ausfallen kann – ein ideales Erbe ergibt für die Zukunft. Der Einsatz für einen Lern- und Lebensort von Kindern mit und ohne Handicaps, um sie für einen normalen Alltag stark zu machen, das ist hier in Duderstadt wie nirgendwo anders möglich, nämlich dass verschiedene Träger an einem Projekt arbeiten (ein gemeinsamer Campus mit der Kita St. Klaus, der Tagesstätte St. Raffael, der Pestalozzi-Schule, den Schülern der ehemaligen IGS usw.). Für diesen Aufbruch will ich mich gerne stark machen und ich bin froh, dass das Bistum mit einer „Anschubfinanzierung“ wenigstens dafür ein deutliches Zeichen setzt!

Es soll nicht euphemistisch klingen, aber ich hoffe, dass „sich die Kirche eben nicht selbst abschafft, sondern sich neu definiert, dass wir anfangen neu zu verstehen, was und wo Kirche ist! Daran werden wir in den nächsten Jahren arbeiten müssen, denn die Kirche des letzten Jahrtausends wird es nicht mehr wie gewohnt geben. Das ist nicht nur meine persönliche Meinung und es ist kein leichter Weg!

Ihr Propst Galluschke

 

Aktualisiert am 01.03.2017 um 19:41 Uhr