Lateinlehrer erstellt Ortsfamilenbuch für Obernfeld

Ein Ortsfamilienbuch für Obernfeld hat der pensionierte Gymnasiallehrer Leo Engelhardt (80) erstellt. Das Werk informiert über die verwandschaftlichen Verhältnisse von 4800 Menschen.

Anderthalb Jahre lang wertete Engelhardt alte Kirchenbücher aus der Zeit zwischen 1650 und 1918 aus. Dabei halfen dem Lateinlehrer seine Sprachkenntnisse, denn bis 1815 machten die Ortspfarrer alle Eintragungen auf Latein. „Früher heirateten in Obernfeld – wie in anderen Eichsfelddörfern – meistens Cousins und Cousinen dritten und vierten Grads einander“, fand der Lehrer heraus. Weitverbreitete Obernfelder Familiennamen wie Ehbrecht, Kopp oder Wüstefeld erschwerten die Zuordnung von Personen. Vor Beginn der napoleonischen Zeit, Anfang des 19. Jahrhunderts gehörte das Dorf einige Jahre lang zum französisch regierten Königreich Westphalen – waren die Angaben in den Kirchenbüchern nur sehr spärlich sind.

Vereinzelt wählten die Obernfelder ihre Ehepartner in Nachbardörfern, die in einem Umkreis von zehn Kilometern lagen. Überrascht hat Engelhardt die vergleichsweise hohe Zahl von Rüdershäusern. Der Ort ist heute von Obernfeld aus mit dem Auto nur über eine vergleichsweise lange Fahrt zu erreichen. Der Fußweg ist deutlich kürzer, zeigte Engelhardt ein Blick auf die Landkarte. Manchmal ließen sich auch Menschen dauerhaft in Obernfeld nieder, die dort etwa als Müller oder Schäfer Arbeit gefunden hatten. Die meisten von ihnen verließen den Ort jedoch nach Auslaufen ihrer Zeitverträge wieder. 

Auf der anderen Seite zogen einige Obernfelder auch nach Hannover, Hamburg oder ins Ruhrgebiet. Manche wanderten sogar in die USA aus. „Für Eichsfelder war insbesondere der Mittlere Westen interessant, wo Bauern ein großes Stück Land erwerben konnten“, weiß Engelhardt. Im Eichsfeld waren die Parzellen dagegen aufgrund der Erbteilung meistens klein. „Im Vergleich zu anderen Orten des Eichsfeldes war die Abwanderung allerdings nicht so groß“, betont der Heimatforscher. Die fruchtbaren Böden im Hahletal, die zur sogenannten Goldenen Mark gehören, sorgten für gute Ernten. 

Der Autor stieß in den Kirchenbüchern auch auf bemerkenswerte Begebenheit. „In Obernfeld lebte zum Beispiel ein 2,39 Meter große Hüne, der mit jedem seiner Arme zwei Männer in die Höhe heben konnte“, erzählt der Lehrer. Die Mutter des Großgewachsenen wurde von einem Liebhaber ermordet. Hoch war die Kindersterblichkeit. Epedemien wie die Cholera kosteten viele Menschen das Leben. Selten wurden Dorfbewohner älter als 65 oder 70 Jahre. 

Den Anstoß, das Ortsfamilienbuch zu schreiben, gab Hans-Hermann Müller, der im Nachbarort Mingerode wohnt. Er hatte die Eintragungen aus den Kirchenbüchern abgeschrieben, konnte aber die lateinischen Texte nicht verstehen. Er bat Engelhardt um Hilfe, der 2008 sein erstes Ortsfamilienbuch – eines über Nesselröden – veröffentlicht hatte. „Ich stamme aus Nesselröden und suchte Ende 2005 das Hildesheimer Bistumsarchiv auf, um mehr über meine Vorfahren zu erfahren“, erzählt Engelhardt. Bistumsarchivar Dr. Thomas Scharf-Wrede forderte den Lateinlehrer auf, ein Ortsfamilienbuch zu verfassen und gab ihm abgescannte Kirchenbücher auf CD mit nach Hause. Engelhardt, der nach dem Studium in Göttingen und dem Referendariat in Celle nach Nordhorn in der Grafschaft Bentheim gezogen war, machte sich nach seiner Pensionierung 2006 an die Arbeit.

Mittlerweile hat er acht solcher Bücher verfasst. Von dem neuen Werk ließ er 80 Exemplare drucken. Die ersten Werke hat er bereits an andere Familienforscher verkauft. Georg Kopp, der Vorsitzende des Fördervereins Obernfelder Heimatmuseum von 1992 kümmert sich um den Vertrieb im Ort. Er will den Autor für einen Vortrag nach Obernfeld holen. „Das Interesse am Buch ist groß, da es die Ahnenforschung erheblich vereinfacht“, sagt Kopp. Engelhardt will zudem zur Tagung der Eichsfelder Familienforscher fahren. Sie findet voraussichtlich im Oktober statt.