„Entstauben und konservieren“

Der spätmittelalterliche Flügelaltar von St. Cyriakus wird restauriert.

Seit über 500 Jahren ziert der gar nicht zierlich wirkende Flügelaltar die St. Cyriakus-Kirche in Duderstadt. Bald ist der zentrale Blickpunkt im Chor für eine Weile im hinteren Teil der Kirche verschwunden.

Seit über 500 Jahren ziert der gar nicht zierlich wirkende Flügelaltar die St. Cyriakus-Kirche in Duderstadt. Bald ist der zentrale Blickpunkt im Chor für eine Weile im hinteren Teil der Kirche verschwunden.

Der Altar der St. Cyriakus-Kirche ist deutlich von den Spuren der Zeit gezeichnet und wird nun nach überlegter Planung restauriert. Eine ausführliche Voruntersuchung von Thomas Kräckel-Hansum (Restaurator) bestätigte die dringende Notwendigkeit der Restaurierungsmaßnahmen. Das Gutachten zeigte, dass zum Teil große Schäden vorhanden sind. Die farbige Malschicht (Fassung) weist viele aufstehende Schollen und Risse auf. Diese drohen dann unwiederbringlich verloren zu gehen. Außerdem sind die Oberflächen der Reliefs sehr stark verschmutzt und verrußt. Umstände, die nicht nur eine Reinigung, sondern vor allem Konservierungsmaßnahmen absolut erforderlich machen. 1971 und 1984/88 fanden die letzten restauratorischen Unternehmungen statt. 1876/77 bekamen die Reliefs sogar eine neue Fassung, aus heutiger Sicht eine umstrittene und nicht mehr so oft angewandte Technik.

Als bedeutendes und herausragendes Werk des Spätmittelalters kommt dem Altarretabel der St. Cyriakus-Kirche aus kirchen-, kunsthistorischer und denkmalpflegerischer Perspektive besondere Bedeutung zu. Deshalb steht hier die Erhaltung eines Objektes, das über Jahrhunderte fest mit der Kirche und der Gemeinde verbunden ist, im Vordergrund.

Arbeitsablauf

Zunächst werden alle losen Stellen der Fassung mit Papierklebungen am Retabel (Mittelschrein und Flügel) vor Ort vom Restaurator Thomas Kräckel-Hansum gesichert.

Am 20. Januar wird das Retabel demontiert und im hinteren Bereich der Kirche (Westbau) in eine temporär eingerichtete Restaurierungswerkstatt verbracht. Den Altar vor Ort zu restaurieren ist aus klima- und transporttechnischen Gründen die schonendste, außerdem die finanziell günstigere Variante. Reinigung, Konservierung und Restaurierung werden ca. drei Monate in Anspruch nehmen. Zu Ostern soll der spätmittelalterliche Flügelaltar wieder in neuem Glanz erscheinen und an seinem Platz aufgestellt sein.

Zur Geschichte des Flügelaltars

Um 1481 als Hochaltarretabel für die fast vollendete gotische Kirche geschaffen, wird hier sehr anschaulich die Passionsgeschichte dargestellt. Das Bildprogramm zeigt in 12 kleineren Relief- und einer großen Haupttafel, mit der Kreuzigungsszene auf dem Kalvarienberg, das Leiden Jesu Christi (die Passion). In der mittelalterlichen Frömmigkeitspraxis galten bildliche Darstellungen der Heiligen und ihrer Geschichten neben dem gesprochenem Wort als wichtigstes Instrument zur Vermittlung von Glaubenssätzen und -vorsätzen der Kirche an die Gläubigen, denen oft die Kenntnisse zu Text und Schrift fehlten. 

Im Lauf der Jahrhunderte wurden einige Veränderungen am bedeutendsten Altar der Kirche vorgenommen - nachweisbar waren über ein Dutzend verschiedene Altäre vorhanden. So entfernte man im 17. Jahrhundert unter Kommissarius Herwig Böning den gotischen Hauptaltar und stellte ihn in reduzierter Form an einem anderen Platz in der Kirche wieder auf. Die komplette Fensterfront des Chores ausfüllend, folgte dann der Barockaltar von Johann Andreas Gröber (1684/85), einem Bildschnitzer der imposante Altarwerke u.a. in Heiligenstadt, Hann. Münden und Erfurt schuf. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte eine Regotisierung der Kirchenausstattung. Das ehemals liturgische Hauptwerk, beziehungsweise das, was noch von im übrig geblieben war, fand an seinen ursprünglichen Ort zurück.

1952 fertigte Joseph Karl Oppermann einen neuen Tabernakel für den Hochaltar. Um diesen in den Komplex einzufügen, musste das gesamte Retabel mittels einer Metallkonstruktion angehoben und eine viel höhere, den Werken der Gotik kaum entsprechende, Zwischenzone geschaffen werden. Dadurch sind heute Teile der bemalten Glasfenster aus dem 19. Jahrhundert verdeckt.

Um das historisch ursprüngliche bzw. im späten Mittelalter übliche Proportionsverhältnis von Altartisch (Stipes und Mensa), Zwischenzone (Predella) und Aufbau (Retabel, meist mit Aufsatz/Gesprenge) wieder herzustellen, ist im Zuge der Restaurierung geplant, den Tabernakel zu entfernen und das schon beim Bau des Chores um 1394 angelegte Sakramentshäuschen mit Nische wieder in Funktion zu bringen.

Mit der Erhebung der Pfarrkirche zur Basilica minor im Jahr 2015 und mit der Renovierung sowie der farblichen Neugestaltung 2016, wurden bereits die 15 überlebensgroßen barocken Pfeilerfiguren professionell gereinigt, konserviert und teilweise restauriert. In einem nächsten Schritt folgten die Figurengruppe mit Maria, Josef und Jesuskind, der hl. Nikolaus und der hl. Johannes von Nepomuk, die sich alle im nördlichen Seitenschiff befinden, außerdem die Prozessionsstangen der Zünfte, sowie die große Pietà in der Kapelle des südlichen Seitenschiffs. Auch das Sakramentshäuschen im Chor ist bereits restauriert.

Auftraggeber und Verantwortliche

Auftraggeber der Restaurierungsarbeiten ist Pfarrgemeinde St. Cyriakus als Eigentümerin. Fachlich betreut werden die Arbeiten durch das Bistum Hildesheim (Abteilung Bau) unter der Leitung von Diözesanbaumeister Norbert Kesseler (Referat kirchliche Denkmalpflege), Dr. Monika Tontsch (Kunstdenkmalpflege) und Dr. Stefan Amt (bauliche Denkmalpflege).

Bei Fragen zum Projekt stehen Ihnen gern Rede und Antwort:
Frau Dr. Monika Tontsch (Bistum Hildesheim)
Herr Dipl. Rest. Thomas Kräckel-Hansum (Restaurator)
Frau Sandra Kästner M.A. (Kunsthistorikerin)
Dr. Alfons Merten (Kirchenvorstand)

Das Projekt wird durch die Fundraising-Aktion des Kirchortes St. Cyriakus Duderstadt und das Bistum Hildesheim finanziert. Eine besondere Führung zum Thema Altar und den Restaurierungsarbeiten wird von Frau Kästner Anfang März angeboten.

Sandra Kästner M.A.